Es anders versuchen
Sie haben keine Lobby, die Außenseiter. Wer nicht im Mainstream mitschwimmt, wer nicht so ist, wie die große Masse, wer nicht angepasst ist, hat es schwer in einer Gesellschaft. Das sind nicht nur die, die aus den üblichen Gründen auf dem Abstellgleis stehen: Menschen ohne Arbeit, Behinderte, sozial Ausgegrenzte. Schon diejenigen, die anders aussehen, sich eigenwillig kleiden und ungewöhnliche Haarpracht tragen, werden beargwöhnt oder schief angesehen. Man kennt sie zwar nicht, aber wer so herumläuft, von dem ist sicher nichts Gutes zu erwarten. Wer sich zudem noch mit unbequemen Meinungen öffentlich zu Wort meldet, wird schnell als Eigenbrötler und Querulant abgestempelt.
Gewiss, wir haben Leute, die sich um Außenseiter kümmern: Sozialarbeiter, Psychologen, Ämter, von denen Unterstützung abzurufen ist. Selbsthilfe- und Interessengruppen versuchen die Integration. Und doch droht eine Gesellschaft auseinanderzubrechen, der es nicht ansatzweise gelingt, einen Raum für die vermeintlichen Randgruppen zu schaffen. Verständnis wecken ist oft mühsam, manchmal vergeblich. Sich auf den Einzelnen einlassen und genau hinschauen, was dessen Situation ist, strengt an, kostet Zeit – und die haben wir scheinbar in unserer Gesellschaft nicht. Es ist einfacher die Schubladen aufzuziehen und Leute dort hineinzupacken wo sie scheinbar hingehören. Da wird die Welt wieder überschaubar.
Ganz neu scheint mir das Phänomen nicht zu sein. Unverständnis und Ausgrenzung gibt es wohl in jeder Gesellschaft, mal deutlicher, mal subtiler. Der Bibelvers für die kommende Woche erzählt davon. Da war ein Zolleinnehmer, ein Betrüger, der in die eigene Tasche wirtschaftete und zudem noch mit der verhassten Besatzungsmacht kooperierte. Ignorieren, ausgrenzen, verachten, das schien ihm gegenüber gesellschaftlicher Konsens zu sein. Da wagt es doch einer, sich anders zu verhalten: Jesus spricht ihn an, ist bei ihm zu Gast. Denen, die verständnislos den Kopf schütteln, schreibt er ins Stammbuch: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ (Lukas 19,10) Das klingt wie ein Programm für die Außenseiter: Hinsehen, Verständnis entwickeln, ins Gespräch kommen, es einfach anders machen. Offenbar trägt das Früchte. Der Zolleinnehmer hat sich geändert, sogar seine soziale Ader entdeckt. Es wäre gut, wir könnten ansatzweise dies in unserer Gesellschaft praktizieren.
Diakon Klaus Mehlhorn ist als Bezirksgemeindereferent im Ev.-Luth. Kirchenbezirk Annaberg tätig.